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Neue Messe auf den Fildern ist zulässig

Datum: 27.07.2004

Kurzbeschreibung: 


In seinen heute bekannt gegebenen Beschlüssen im Verfahren des vorläufigen Rechts-schutzes der betroffenen Landwirte (Az.: 8 S 902/04) und der Stadt Leinfelden-Echterdingen (Az.: 8 S 1102/04) stellt der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) fest, dass das Landesmessegesetz verfassungsmäßig ist und der hierauf beruhende Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 12.3.2003 zur Zulassung der Landesmesse auf den Fildern die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt.

Die Antragsteller beider Verfahren begehren die Aussetzung des im Messegesetz angeordneten Sofortvollzugs des Planfeststellungsbeschlusses bis zur Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Hauptsacheentscheidung. Die betroffenen Landwirte würden bei einer Realisierung der Messe Grundeigentum und Pachtflächen verlieren, was ohne Bereitstellung geeigneten Ersatzlandes für einen Teil der Betriebe existenzgefährdend wäre. Die Stadt Leinfelden-Echterdingen, die ebenfalls Eigentümerin mehrerer Grundstücke im Bereich der geplanten Messe ist, sieht sich insbesondere in ihrer Planungshoheit verletzt. Mit Urteilen vom 19.2.2004 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Anfechtungsklagen der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss abgewiesen; ihre Berufungen gegen diese Urteile sind beim 8. Senat des VGH anhängig (Az.: 8 S 1187/04 und 8 S 1268/04).

Beide Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat der VGH nunmehr unter anderem aus folgenden Gründen abgelehnt:

1.Verfahren Landwirte (AZ.: 8 S 902/04):

Es bestünden keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Landesmessegesetzes. Das Land könne sich auf eine eigene Gesetzgebungskompetenz berufen. Das Landesmessegesetz regle nach seinem eindeutigen Wortlaut auch nicht selbst die Zulassung der Landesmesse an einem bestimmten Standort, sondern überlasse diese Entscheidung einem ergebnisoffenen Planfeststellungsverfahren mit konkreter Abwägung aller individuellen Belange der betroffenen Grundstückseigentümer und -nutzer nach deren vorheriger Anhörung. Auch das Eigentumsgrundrecht sei nicht verletzt. Ziel des Landesmessegesetzes sei es, der baden-württembergischen Wirtschaft mit dem Neubau einer international ausgerichteten Landesmesse ein erfolgreiches „Schaufenster“ zu Weltmarkt, Innovation und technologischem Fortschritt zur Verfügung zu stellen und so den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg zu sichern und zu stärken. Angesichts des wegen zahlreicher Infrastrukturmängel drohenden Verlustes der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der bestehenden Messe auf dem Killesberg, der herausragenden Wirtschaftskraft des Landes Baden-Württemberg und seiner besonderen Wirtschaftsstruktur (Schwerpunkte Export und Produktion) sei nicht zweifelhaft, dass der Gesetzgeber damit ein besonders schwerwiegendes und dringendes öffentliches Interesse verfolge, das grundsätzlich auch den hoheitlichen Zugriff auf privates Grundeigentum und die landwirtschaftliche Nutzung rechtfertige.

Der auf der Grundlage des Landesmessegesetzes erlassene Planfeststellungsbeschluss verletze die Antragsteller nicht in ihren Rechten. Verfahrensfehler seien nicht erkennbar; insbesondere gebe es keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Regierungspräsidenten. Die planerische Abwägung aller berührten Belange sei nicht zu beanstanden. Sie sei entgegen der Auffassung der Antragsteller ersichtlich ergebnisoffen erfolgt. Die Entscheidung zugunsten des Standorts auf den Fildern („Echterdinger Ei-Ost“) sei auch mit Blick darauf vertretbar, dass am Standort Böblingen weder privates Grundeigentum in Anspruch genommen werden müsste noch die Existenz landwirtschaftlicher Betriebe bedroht wäre. Die Planfeststellungsbehörde habe insoweit - neben anderen Vorteilen wie beispielsweise zahlreichen „Synergieeffekten“ aus der unmittelbaren Nähe der Landesmesse zum Flughafen oder einer günstigeren Altlastensituation - vor allem auf die überragend günstige Verkehrsanbindung des Standorts auf den Fildern abstellen dürfen. Der Standort liege direkt an der sechsstreifig ausgebauten BAB A 8 und der vierstreifig ausgebauten B 27, die auch den zusätzlichen Messeverkehr aufnehmen könnten. Er verfüge außerdem über einen guten Schienenanschluss (S-Bahnlinien S 2 und S 3) und sei vom Flughafen aus fußläufig erreichbar. Demgegenüber wäre die Landesmesse am Standort Böblingen - neben dem Nachteil einer größeren Entfernung zum Flughafen - nur unzureichend an das Straßennetz angeschlossen, weil die A 81 dort sehr stauanfällig sei. Nicht zu beanstanden sei schließlich auch die Dimensionierung der Landesmesse.

Der Senat weist darauf hin, dass allein aufgrund der - nunmehr gerichtlich bestätigten - Vollziehbarkeit des Planfeststellungs-beschlusses keine vollendeten Tatsachen gegenüber den Antragstellern geschaffen würden. Nach dem Bauablaufplan der Projektgesellschaft Neue Messe müsse zunächst zum Zwecke der Kampfmittelerkundung und -beseitigung der Mutterboden flächendeckend abgetragen werden, bevor mit sonstigen baulichen Maßnahmen begonnen werden könne. Diese vorbereitende Maßnahme setze jedoch den Erlass vorzeitiger Besitzeinweisungen unter anderem gegenüber den Antragstellern voraus, die nach dem Landesmessegesetz an eigenständige Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft und selbständig mit Rechtsmitteln anfechtbar seien. In einem eventuellen Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz gegen derartige Besitzeinweisungen werde unter anderem zu berücksichtigen sein, ob nach dem Stand des Enteignungsverfahrens ausreichend geeignetes Ersatzland vorhanden sei, um eine infolge des Mutterbodenabtrags entstehende Existenzgefährdung landwirtschaftlicher Betriebe der Antragsteller abzuwenden. Auf der anderen Seite werde jedoch auch von Bedeutung sein, dass bereits der Gesetzgeber selbst mit der Anordnung der Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses die besondere Dringlichkeit des Neubaus der Landesmesse zu erkennen gegeben habe. Zudem werde der nunmehr erreichte Stand des gerichtlichen Verfahrens zu beachten sein. Im Hauptsacheverfahren habe bereits das Verwaltungsgericht Stuttgart die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses bestätigt. Auch der Senat sei nunmehr nach umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Einschluss aller verfassungsrechtlichen Fragen zu demselben Ergebnis gelangt. Da auch kein weiterer Aufklärungsbedarf bestehe, könne bereits jetzt festgestellt werden, dass die Berufung der Antragsteller mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein werde.

2. Verfahren Stadt Leinfelden-Echterdingen (AZ.: 8 S 1102/04)

Diesen Antrag hat der Senat unter voller Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10.2.2004 und seinen heutigen Beschluss zum Antrag der betroffenen Landwirte abgelehnt. Lediglich klarstellend merkt der Senat unter anderem an, die Antragstellerin habe verkannt, dass sie ihre Planungsmöglichkeiten bezogen auf die für die Landesmesse vorgesehene Fläche bereits durch die gebietsscharfe Ausweisung dieses Bereichs als Projektstandort im Regionalplan vom 27.01.1999 verloren habe. Dessen Rechtmäßigkeit sei ihr gegenüber rechtskräftig durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts festgestellt worden. Auch im Übrigen verletzte der Planfeststellungsbeschluss die Antragstellerin offensichtlich nicht in eigenen Rechten.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar (Az.: 8 S 902/04 und 8 S 1102/04).





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