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Kirchardt: Krypta im Industriegebiet zulässig

Datum: 30.11.2016

Kurzbeschreibung: 
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hat im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 23. November 2016 mit heute verkündetem Urteil den Bau einer Krypta in einem Industriegebiet in Kirchardt (Landkreis Heilbronn) für zulässig erklärt.
 

Die Klägerin ist eine Pfarrgemeinde der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien mit derzeit etwa 600 Mitgliedern. Sie ist Eigentümerin eines Grundstücks in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Industriegebiet, auf dem sie mit einer 1994 von der Stadt Bad Rappenau (Beklagte) erteilten Baugenehmigung eine Kirche errichtet hat. Im Jahr 2005 beantragte die Klägerin eine Baugenehmigung für eine Krypta im Untergeschoss der Kirche. Die Krypta soll als Begräbnisstätte mit 10 Bestattungsplätzen für die verstorbenen Pfarrer der Kirchengemeinde dienen. Zur Begründung verwies die Klägerin auf die verbindliche Tradition, wonach syrisch-orthodoxe Geistliche nicht auf öffentlichen Friedhöfen, sondern nur in „geweihter Erde“, möglichst unter dem Altar der eigenen Kirche begraben werden müssten.

Die Beklagte lehnte den Bauantrag für die Krypta ab. Die hiergegen gerichtete Klage der Klägerin lehnte der VGH mit Urteil vom 20. Juli 2011 ab. Wegen des Schutzes der Totenruhe dürfe in eine Kirche, die in einem Industriegebiet liege, keine Krypta eingebaut werden. Das Gebot der Hauskirchenbestattung sei zwar Teil des traditionellen Ritus der syrisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft, der wegen der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Religionsausübungsfreiheit zu berücksichtigen sei. Es handele sich nicht jedoch um einen zwingenden Bestandteil der Religionsausübung im engeren Sinn. In dem Industriegebiet sollten nach den Planungen der Gemeinde vor allem stark emittierende Gewerbebetriebe untergebracht werden. Nach einem Bau der Krypta müsse auf die Totenruhe Rücksicht genommen werden und auf längere Sicht bestehe die reale Möglichkeit, dass zu deren Schutz Lärmschutzauflagen gegenüber dem angrenzenden Betrieb erlassen würden (vgl. Pressemitteilung Nr. 35 vom 25. August 2011). Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hiergegen wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Juni 2013 zurück.

Auf die Verfassungsbeschwerde der Klägerin hin hob das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 9. Mai 2016 das Urteil des VGH vom 20. Juli 2011 wegen einer Verletzung der Religionsfreiheit der Klägerin auf. Im Urteil aus dem Jahr 2011 sei der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen. So fehle es an Feststellungen dazu, wie die bestehende Kirche gegenwärtig im Einzelnen genutzt werde, an welchen Tagen in den umliegenden Industriebetrieben gearbeitet werde und wie sich im Hinblick darauf gerade durch die Zulassung der Krypta im Einzelnen eine zusätzliche Belastung ergeben könnte. Der VGH werde dem Gewährleistungsgehalt der Glaubensfreiheit auch nicht gerecht, soweit er annehme, das Gebot der Hausbestattung habe keinen zwingenden Charakter (vgl. Pressemitteilung Nr. 33 des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juni 2016).

Nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits durch das Bundesverfassungsgericht hat der 3. Senat des VGH der Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Krypta stattgegeben. Zur Begründung des Urteils hat der Vorsitzende des 3. Senats bei der mündlichen Urteilsverkündung im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe angesichts der für den Senat bindenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Anspruch auf baurechtliche Zulassung der Krypta zu. Maßgeblich sei dabei, dass die Krypta in einer bereits genehmigten und von der Klägerin als solche auch genutzten Kirche eingerichtet werden solle und dass das Vorhaben dem Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit unterfalle. Der für das Baugrundstück geltende Bebauungsplan der Gemeinde werde von der zusätzlichen Einrichtung der Krypta in der Kirche nicht in seinen Grundzügen berührt. Von der in der Zwischenzeit erlassenen Veränderungssperre sei eine Ausnahme zu erteilen. Auch könnten der Glaubens- und Gewissensfreiheit der Klägerin nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Mai 2016 nur das Eigentumsrecht und die Berufsausübungsfreiheit der Nachbarbetriebe, nicht aber das Pietätsempfinden der Nachbarn und der Allgemeinheit entgegen gehalten werden. Nennenswerte weitere Auswirkungen auf das Eigentum und die Berufsfreiheit der Nachbarbetriebe seien aber angesichts der bereits bestehenden Kirchennutzung durch die Einrichtung der Krypta nicht konkret zu erwarten.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden (Az.: 3 S 1184/16).

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