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Polizeimaßnahmen nach nächtlichem Feuer beim Spechtpassagenfest 2008 in Freiburg teilweise rechtswidrig

Datum: 14.12.2010

Kurzbeschreibung: Die Polizei darf einen Bürger, der sich mit einem gültigen Personalausweis ausweist, an dessen Echtheit keine konkreten Zweifel bestehen, nicht zum Zweck der Personenfeststellung auf das Polizeirevier mitnehmen und dort für die Dauer der Überprüfung der Personalien festhalten. Das hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem heute verkündeten Urteil entschieden und damit der Berufung einer Freiburger Stadträtin gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg, das die Mitnahme auf das Polizeirevier zum Zweck der Personenfeststellung für rechtmäßig erklärt hatte (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 23.02.2009 und zum Sachverhalt Pressemitteilung des VGH vom 10.12.2010), teilweise stattgegeben.

Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, die Polizei habe das legitime Ziel verfolgt, das Löschen des am Rande des Spechtpassagenfestes in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai 2008 auf der Kreuzung Wilhelmstraße / Belfortstraße widerrechtlich entzündeten Feuers zu ermöglichen und die Entzündung neuer Feuer zu verhindern. Von den um das Feuer versammelten Personen seien Aggressionen gegen die Polizei ausgegangen; es sei mit Bierflaschen und anderen Gegenständen auf die Beamten geworfen worden. Wegen der Dunkelheit und des regen Kommens und Gehens im Bereich der Feuerstelle sei nicht klar gewesen, wie lange sich die Klägerin bereits am Feuer befunden habe und ob sie zu den Verantwortlichen für die vorangegangenen und noch andauernden Störungen gehört habe. Sie habe als Störerin (Anscheinsstörerin) angesehen werden können, weil ihr Aufenthalt an der Feuerstelle in engem zeitlichem Zusammenhang zu den vorherigen Aggressionen gestanden und sie eine Bierflasche in der Hand gehabt habe. Vor diesem Hintergrund habe die Polizei ihre Personalien feststellen dürfen. Die vorgenommene Personenfeststellung sei geeignet und erforderlich gewesen, um sie als potentielle Störerin von weiteren Störungen abzuhalten, weil sie dadurch aus ihrer Anonymität gerissen worden sei.

Die sog. Sistierung der Klägerin, d.h. ihre Mitnahme auf das Polizeirevier und das Festhalten dort, sei jedoch rechtswidrig gewesen. Die das Recht auf Freiheit der Person einschränkende Sistierung sei nur zulässig, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden könne. Der mit der Sistierung verbundene Eingriff in die persönliche Freiheit dürfe nur erfolgen, wenn dies zur Feststellung der Identität unerlässlich sei. Hier folge die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt sei. Die Klägerin habe den Polizeibeamten ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten hätten nicht vorgelegen. Damit habe die Klägerin ihre Identität zweifelsfrei belegen können. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung sei daher nicht erforderlich gewesen. Soweit als selbstständige Maßnahme neben der Identitätsfeststellung ein Datenabgleich zulässig gewesen sei, hätte dieser im Übrigen ebenfalls nur an Ort und Stelle vorgenommen werden dürfen, weil die entsprechenden Bestimmungen des Polizeigesetzes der Polizei nur ein Anhalterecht einräumten.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Az: 1 S 338/10).

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